Wirtschaftswunder Deutschland
Die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts waren in Deutschland die Jahre des sogenannten Wirtschaftswunders. Die Industrie boomte. Aufgrund der Folgen des Zweiten Weltkrieges fehlten dem Land jedoch die nötigen männlichen Arbeitskräfte. Deswegen warb die Bundesrepublik gezielt Arbeitskräfte im Ausland an. Dafür wurden sogenannte „Anwerbeabkommen“ mit unterschiedlichen Ländern, wie Italien, Spanien, Marokko, Portugal, Tunesien und dem ehemaligen Jugoslawien, unterzeichnet. Am 30. Oktober 1961 kam es zu einem solchen Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und der Türkei.Gastarbeiter
Die ausländischen Arbeitskräfte waren in der Regel junge Männer – beruflich qualifiziert und körperlich gesund. Die zu vergebenen Arbeitsstellen waren meist mit harter körperlicher Arbeit verbunden. Rund 80 Prozent der ausländischen Arbeitnehmer waren im produzierenden Gewerbe und in der Bauwirtschaft tätig, nur 20 Prozent im Dienstleistungsgewerbe. Die ausländischen Arbeitskräfte wurden als „Gastarbeiter“ bezeichnet. Sie waren in Deutschland „zu Gast“, denn im Abkommen wurde vereinbart, dass sich die Arbeiter nicht länger als zwei Jahre in Deutschland aufhalten sollten. Daher wurden anfangs keine seriösen Integrationsmaßnahmen getroffen. Das allgemeine Ziel der Gastarbeiter war, viel Geld zu verdienen, um nach ihrer Rückkehr in die Heimat ein besseres Leben führen zu können und mit den erworbenen Kenntnissen die Industrie des eigenen Landes zu stärken.Einwanderer
Ende der 60er Jahre verschlechterte sich die Wirtschaftslage in Deutschland. Als die Wirtschaftskrise 1973, mit der Ölkrise, ihren Höhepunkt erreichte, stoppte Deutschland die Anwerbung von Gastarbeitern und von den insgesamt 14 Millionen kehrten elf Millionen in ihre Heimat zurück. Die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse entwickelten sich vor allem in der Türkei zunehmend negativ – Bürgerkrieg, Militärputsch und Hyperinflation kennzeichneten die Lage Ende der 70er- und Anfang der 80er. Verbunden mit hoher Arbeitslosigkeit – insbesondere unter der türkischen Landbevölkerung – verstärkte dies die Zweifel an den Chancen, ein besseres Leben in der Türkei führen zu können. Viele türkische Arbeitskräfte wollten deswegen in Deutschland bleiben und viele deutsche Firmen wollten die eingearbeiteten türkischen Arbeitskräfte auch gerne behalten. Da vor allem junge Männer in die Bundesrepublik gekommen waren, ließen diese daraufhin ihre Familien aus der Türkei nachkommen. Aus Gastarbeitern wurden Einwanderer und Deutschland wurde zum Einwandererland.Deutschtürken
Diejenigen Gastarbeiter, die geblieben sind, wohnen bereits in der zweiten und dritten Generation in Deutschland. Die jüngeren Generationen sind mit den Werten der bundesdeutschen Gesellschaft aufgewachsen. Heute leben rund drei Millionen türkischstämmige Personen in Deutschland. Sie nennen sich „Deutschtürken“ und unter den Personen mit Migrationshintergrund bilden sie die größte Gruppe. Die Mehrheit von ihnen lebt in den industriellen Ballungszentren Nordrhein-Westfalens und Baden-Württembergs, sowie in den Großstädten Berlin, Köln, Hamburg, Frankfurt am Main und München. Seit 2014 haben die Deutschtürken das Recht auf eine doppelte Staatbürgerschaft: sie können sowohl die deutsche, als auch die türkische Staatsbürgerschaft besitzen und somit in beiden Ländern wählen. Voraussetzung ist, dass die Eltern des doppelten Staatsbürgers seit mindestens acht Jahren in Deutschland leben und er selbst in Deutschland geboren ist.16 April 2017
Am 16. April entscheidet die Türkei in einem Referendum, ob sie zukünftig ein Präsidialsystem sein will. Diese Verfassungsreform ist umstritten, weil sie dem Staatspräsidenten Erdoğan deutlich mehr Macht verleihen würde. Die Stimmen der im Ausland lebenden Türken zählen dabei auch. Deutschland ist, nach den türkischen Großstädten Istanbul, Ankara und Izmir, der viertgrößte Wahlbezirk. Deswegen versuchen Amtsvertreter der türkischen Regierung in Deutschland und Europa Wähler zu gewinnen oder, wie Cem Özdemir es ausdrückte, „in Geiselhaft zu nehmen“. Für die demokratieverbundenen Bürger unter ihnen, den integrierten Deutschtürken, die sich mit dem politischen System und den in Deutschland geltenden Werten identifizieren, ist die Antwort auf dieses Referendum eindeutig. Die Frage ist nur, was ist mit den anderen?
TEXTVERSTÄNDNIS
1) Beantworte die folgenden Fragen zum Text.
1. Was ist ein Anwerbeabkommen?
2. Was ist ein Gastarbeiter?
3. Warum kehrten die türkischstämmigen Arbeitnehmer nicht in die Türkei zurück?
4. Was besagt das doppelte Staatsbürgerschaftsrecht?
5. Warum spielen die Deutschtürken für das Referendum in der Türkei eine große Rolle?
GRAMMATIK
2) Imperativ: Forme die folgenden Sätze in die Befehlsform um und verwende dabei die du-Form. Bsp.: Mache (machen) deine Hausaufgaben.
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(Clelia Caruso)
(Bildnachweis: kayugee, flickr und Mohamed Yahya, flickr)
- ______________ (lesen) jeden Morgen die Zeitung!
- ______________ (arbeiten) fleißig!
- ____________________ (unterzeichnen) das Abkommen!
- _______________ (bilden) Sätze mit den neuen Wörtern!
- ______________ (anrufen) deine Großeltern öfter ______!
- _______________ (sprechen) bitte nicht so schnell!
- ___________________ (helfen) deiner Mutter im Garten!
- _________________ (bringen) mir bitte das Buch!
- _________________ (sein) um Mitternacht zu Hause!
- ________________ (haben) keine Angst!
- Ich _______________ in ein anderes Land als mein Heimatland ________, wenn ich in einem anderen Land wohnen und arbeiten will.
- Wenn ich nicht in mein Heimatland __________________ will, möchte ich nicht wieder dort leben.
- Wenn zwei Länder etwas miteinander __________________, treffen sie gemeinsam die Entscheidung, gewisse Dinge füreinander zu tun.
- Der Staat möchte seine Wirtschaft ___________________: er möchte, dass sich die Wirtschaftslage verbessert und stabilisiert.
- Ein _________________ zwischen zwei Staaten ist ein Vertrag, in dem geschrieben steht, was die beiden Staaten füreinander tun müssen.